Entdeckung der Langsamkeit
Am naechsten Morgen treten wir den schwierigsten aber gleichzeitig auch schoensten Teil unserer Strecke an. Eine enge schlecht bis gar nicht geteerte Strasse windet sich 100km ueber zahlreiche Bergpaesse und durch subtropische Taeler. Landschaftlich und hoehenmetermaessig eine absolute Koenigsetappe. Aber so erzaehlt uns der Lonely Planet. Nur fuer den “very experienced rider”. Das sind wir ja 🙂 kein Problem also.
Und wir werden nicht enttaeuscht. Wir durchqueren nahezu unberuehrte Bergdoerfer. Die Kinder hoeren schon von weitem unsere Motoren und rennen neugierig zur Strassen. Sind wir in Sichtweite, so werden wir fast immer von aufgeregtem Winken begruesst. Andere Zeigen auf uns und rufen laut “Hello”, das ist in diesen Bergdoerfern eine haeufige Bezeichnung fuer Westler. Mutige Jungs versuchen uns beim Vorbeifahren zu beruehren. Natuerlich fahren wir langsamer und klatschen lachend ab: “High five!” Maedchen hingegen waren meist schuechterner. Hin und wieder sind sie sogar bei unserem Anblick weggerannt oder haben sich hinter ihrer Mama versteckt.
Der Traummorgen wird nach ca. einer Stunde Fahrt von neuen Motorradsorgen ueberschattet. Wir haben aehnliche Probleme wie am Vortag: Die Kiste zieht einfach nicht. Mittlerweile haben wir gewechselt und ich versuche mit allen Tricks Kilometer zu schinden. In den Kurven bremsen war frueher. Ich nutze in lebensmueder Manier jedes Gefaelle und lege mich unter staendigem Gehupe in jede Kurve um moeglichst viel Schwung in den naechsten Anstieg mitzunehmen. Die Hoffnung, dass kein Fahrzeug, kein Erdrutsch oder grosse Schlagloecher hinter der naechsten Biegung warten, faehrt mit. Die Taktik geht einige Kilometer auf. Dann fehlt die Kraft um in den dritten Gang zu schalten. Kurz darauf macht auch der zweite schlapp. Einige Kilometer schaffe ich noch mit heulendem Motor und einem Tempo, das sogar Ulle in seiner aktuellen Form locker mitgehen koennte. Dann ist Schluss. Die Minsk saeuft am steilsten Stueck im ersten Gang einfach ab. Verdammt! Zu allem Ueberfluss macht Petrus sich genau in dem Augenblick einen Spass daraus, irrsinnige Wassermassen auf uns herabzuschuetten. Na prima! Bis ich den 1,40 Euro Emergency Poncho (ja, was anderes habe ich nicht) aus dem Engelhorn gefunden habe vergeht eine Weile. Total durchnaesst stehe ich also mit einem kaputten Motorrad irgendwo in der Pampa. Aber ich habe mir ja immer ein Abenteuer gewuenscht. Also nicht rumheulen!
Mittlerweile hat Elena mich auch schon vermisst und ist zu mir zurueck gefahren. Jetzt bitte kein Gezicke. Aber sie ist erstaunlich gelassen, puh! Dann das Unausweichliche: Packtaschen vom Rad schnallen, Sitz hoch, Werkzeug raus. Die Minsk ist fast baugleich mit der Simson die ich frueher gefahren bin, nur groesser. In diesem Stil ist mir meine Simson zwar nie abgesoffen, aber aehnliche Probleme gab es auch da. Aehnliches Motorrad + aehnliches Problem = gleiche Loesung. Also, entweder der Vergaser ist verdreckt oder/und die Zuendkerze muss gewechselt werden. Den Vergaser will ich nicht auseinandernehmen, vor allem nicht bei diesem Regen. Also wird die Zuendkerze gewechselt. Und ja, sie hat es noetig. Dann wieder alles zusammenpacken und kleine Testfahrt. Die Maschine laeuft. Keineswegs gut, aber sie laeuft. Um moeglichst wenig Gewicht aufs Motorrad zu packen faehrt Elena jetzt auf dem kaputten weiter. Ich schnalle die beiden Packtaschen aufs andere. Mit Mueh und Not schaffen wir es in das naechste groessere Dorf.
Dort also zur naechsten Werkstatt und das Bike checken lassen. Der Vergaser wird gereinigt und die Zuendkerze zehnmal ein und ausgebaut. Das Resultat ist nicht zufriedenstellend. Die Leistungsschwaeche bleibt. Also, wird eifrig weiter nach der Loesung gesucht. Mittlerweile ist auch der Vermieter Mr. Cuong per Telefon informiert und diskutiert fleissig mit. Es muss die Elektrik sein. Etliche Stunden und 8 Dollar (davon 6 Dollar Material, der Stundenlohn ist hier wirklich erbaermlich) aermer fahren wir erschoepft ins Hotel. Das Motorrad funktioniert soweit…